Liebe – das härteste Training deines Lebens
- Brian Neuhöfer
- 5. Aug.
- 6 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 8. Aug.

Liebe – ein großes Wort. Schnell denken wir an Schmetterlinge im Bauch, an Romantik, an Nähe. Doch ist das alles? Was ist mit der Liebe zu den eigenen Kindern? Zu den Eltern? Was ist mit Selbstliebe – und wie fühlt sich das überhaupt an?
Sobald wir genauer hinschauen, merken wir: Liebe ist kein festes Konzept. Sie hat viele Gesichter – und oft sprechen wir darüber, ohne dass klar ist, was wir wirklich meinen.
Überschrift #1: TDS und Liebe
Überschrift #2: Nähe und Distanz als Voraussetzung
"Das, was du in dir liebst, lässt dich los".
TDS und Liebe
Im NLP gibt es einen spannenden Vorgang, der uns helfen wird, in dem Begriffsjungle zurecht zu kommen. Außerdem wird dir das Verständnis über TDS helfen, bessere Gespräche zu führen.
Stell dir vor, jemand sagt zu dir:
„Du weißt, was ich meine.“
Aber: Die Person hat nicht genau gesagt, worum es geht.
Jetzt passiert im Kopf automatisch Folgendes:
Dein Gehirn sucht in deinen Erinnerungen, Erfahrungen und Bedeutungen, um herauszufinden:
– Was könnte sie meinen?
– Was war das letzte Gesprächsthema?
– Wie ist der Tonfall?
– Was passt gerade?
Das ist eine transderivationale Suche.
Ein anderes Beispiel wäre: Wir beide sprechen über Freiheit. Ich bestätige deine Aussage, dass dir Freiheit unfassbar wichtig sei. "Mir auch" - wir verstehen uns. Aber das tun wir natürlich nur in der Oberflächenstruktur. Um tiefer zu kommen, bräuchte ich mehr Informationen von dir: Was bedeutet Freiheit für dich? Wann ist sie verletzt?
Eine gute Übung, vor allem für Partnerschaften: Was sind deine Top 3-Werte. Wann sind sie für dich erfüllt und wann verletzt? Besonders wichtig werden uns Werte, wenn sie mal verletzt wurden. Dazu findest du hier mehr: Werte ohne Liebe
Fassen wir zusammen: Sprechen wir über Liebe, Freiheit, Frieden, Freude (abstrakte Nomen) - meinen wir alle etwas anderes, da wir diese Begriffe mit Erfahrungen, Verletzungen usw. aufladen.
Das macht es natürlich nicht einfacher, vor allem wenn man sich vor nimmt, etwas über die Bedeutung der Liebe zu schreiben.
Im Deutschen haben wir auf der Begriffsebene lediglich: Das Verliebt-Sein, die Liebe, vielleicht noch "sich lieb haben". Anders ist es bspw. im Japanischen.
Im Japanischen gibt es mehrere Begriffe, die unterschiedliche Aspekte von „Liebe“ und zwischenmenschlicher Nähe ausdrücken. Sie verdeutlichen, wie facettenreich Liebe verstanden wird – weit über das einfache Wort „Liebe“ hinaus.
1. Ai (愛)
Bedeutung: Ai ist der allgemeinste Begriff für „Liebe“ im Sinne von tiefer Zuneigung, Verbundenheit und Hingabe.
2. Koi (恋)
Bedeutung: Koi steht für Verliebtheit, Leidenschaft und romantische Anziehung.
3. Amae (甘え)
Bedeutung: Amae bezeichnet das kindliche Bedürfnis nach Nähe, Zuwendung und Fürsorge, das Vertrauen darauf, dass man angenommen und umsorgt wird.
Nähe und Distanz als Voraussetzung
Ein Großteil unserer Herausforderungen wurzelt in der Bindungsebene – was es nicht gerade leichter macht, über das Thema Liebe zu schreiben. Wenn ich mich selbst nicht spüren kann, mich zurückziehe oder eine scheinbare Unabhängigkeit aufbaue, wird echte gelebte Liebe fast unmöglich. Wie so oft beginnt alles mit dem Blick nach innen: auf meine eigene Ambivalenz, auf Trigger und auf die Schutzmechanismen, die ich unbewusst etabliert habe.
Kontakt ist die Lösung
1. Grunddynamik: Nähe ↔ Distanz
Beziehungen sind ein Tanz zwischen Nähe und Distanz. Je mehr emotionale Nähe zugelassen wird, desto mehr alte, unbewusste Emotionen (z. B. aus der Kindheit) können auftauchen. Wahre Heilung beginnt, wenn diese Gefühle angenommen und integriert werden, anstatt sie weiter zu verdrängen. So entsteht ein wachsendes Bedürfnis nach echtem Austausch statt Rückzug oder Verteidigung.
2. Autonomietyp vs. Verschmelzungstyp
Autonomietypen vermeiden Nähe, um sich zu schützen, bauen emotionale Abgrenzung auf und ziehen sich tendenziell zurück. Verschmelzungstypen suchen starke Nähe und Bindung, klammern sich oft an andere und verlieren sich dabei schnell im Gegenüber. Der Konflikt entsteht genau dort, wo das Bedürfnis nach Autonomie auf den Wunsch nach Verschmelzung trifft – und umgekehrt.
3. Natur von Regulierungsbedarf
Traumatische Erfahrungen formen unbewusste Muster wie Rückzug, Abwehr oder emotionale Betäubung. Diese Reaktionsmuster sind Schutzstrategien des Nervensystems – kurzfristig hilfreich, langfristig jedoch hinderlich für Verbindung und Selbstwahrnehmung. Heilung gelingt dann, wenn Menschen in einem geschützten Rahmen ihre Gefühle ehrlich mitteilen können, statt sie zu unterdrücken oder auszuagieren.
Liebe und Aspekte
In meiner Philosophie hat die Liebe Aspekte und Qualitäten. Sie lässt, hält nicht fest, unterstützt, ist bedingungslos, verwandt mit der Freude, ein treuer Begleiter der Demut, lässt Projekte groß und Beziehungen tief werden.
In den letzten Jahren habe ich etliche Methoden und Tools kennengelernt, um menschliche Veränderung anzustoßen. Was ich irgendwann verstanden habe: Es gibt Menschen, die brauchen all das nicht. Und bei dieser Beobachtung konnte ich feststellen, dass diese Menschen inneren Frieden leben, zufrieden sind, tolle Beziehungen leben. Nicht, dass immer alles angenehm ist - aber es ist ein tiefes, sinnvolles und großes Lebensgrundgefühl vorhanden.
Und die haben dann einfach keine Traumen? Keine Verstrickungen?
Doch. Aber diese Menschen leben mit einer anderen Haltung.

Emotionen und Haltung
Mittlerweile gibt es für mich zwei Wege, um sich stark zu verändern - das eine ist die emotionale Welt: Coaching und Therapietools - Blockaden und Verstrickungen lösen. Das, was mir damals aus meiner Angststörung geholfen hat.
Aber nur mehr davon, hat mich nicht zufrieden und glücklich gemacht.
Was mir spürbare Tiefe und Erfüllung bringt, ist die Haltung. Und die trainiere ich jeden Tag aufs Neue - jeden morgen wache ich auf und entscheide mich genau dafür.
Das ist Training, Wiederholung, Frustration und vor allem eins: Ehrlich zu sich selbst sein.
Hinter fast jedem Konflikt, der aus der Vergangenheit ruht, also das was wir heute vielleicht "Thema" nennen, steckt irgendwo ein Familiensystem - mit Werten, Normen und Regeln. Und am Ende läuft dieses Programm rund um die Uhr: Wenn ich jetzt XY tue, fördert das die Zugehörigkeit zu meinem Familiensystem, oder gefährdet es diese? Das ist natürlich unbewusst und das Überschreiten dieser Schwelle ist immer mit einer empfundenen Schuld verbunden.
Aber hinter diesen Konflikten steckt eins: Liebe.
"Ich trage es für dich Mama, Papa"
"Kinder sind treu bis in den Tod"
"Die Liebe ist stark wie der Tod"
Liebe möchte fließen, durch Kontakt, Geben und Nehmen.
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass ehrlich zu sich selbst sein, daraus zu Handeln und zumindest zu versuchen, die Aspekte der Liebe zu leben, das ganze Leben verändert. So sehe ich es bei mir, so sehe ich es bei meinen Klienten.
Viele die das nicht tun, suchen.. und suchen.. und suchen.
Eigenkontakt
Das fördert natürlich die Selbstbeziehung enorm. Und wenn du mich fragst, ist das der Ausgangspunkt: Ein zentriertes wahrnehmbares Ich-Gefühl im Körper. Etwas, wie ein Kompass - ein Nordstern. Viele Menschen hören dort nicht mehr hin, haben sich gespalten und den Kontakt zu sich selbst verloren.
Wie soll ich in gute Beziehung mit den Dingen und Menschen im Außen gehen, wenn ich keine funktionierende Selbstbeziehung habe? Und da geht es für mich ums Fühlen, Spüren, unangenehme Entscheidungen angehen, von denen ich weiß: Es muss getan werden. Das ist nichts, was man mal eben reincoacht oder löst. Das ist Training, Haltung.
Deshalb hilft auch Coaching nur begrenzt. Blockaden lösen, Ressourcen installieren: Super. Aber die Haltung, die lernt man. Etwas, was ich in meinem Mentoring als oberstes Ziel habe.
Und manchmal brauchen wir aber all das Technische davor, um dafür wieder offen zu sein. Um das überhaupt zulassen zu können. Dafür braucht es manchmal Referenzerfahrungen. Oft sind es Klienten, die ein paar Mal bei mir waren, die dann ins Mentoring kommen.
Die bittere Pille: Das ist Arbeit, die einem niemand abnehmen kann. Hat man aber einmal verstanden, was dort für Geschenke liegen..
Ich hatte das Glück, dass zwei meiner Mentoren, genau diese Haltung leben und lehren. Sonst wäre ich darauf wohl nie gestoßen. Das mal klar zu benennen und vorzuleben, hat mir diese Möglichkeit erst gegeben.
In welchen Lebensbereichen lebst du Liebe?
Fazit
Liebe ist kein fixes Konzept, sondern ein lebendiger Prozess – mit vielen Gesichtern: zwischen Menschen, in uns selbst, zu unseren Werten, zur Welt. Und genau deshalb ist sie auch so schwer greifbar. Sie verlangt von uns, nicht nur zu fühlen, sondern zu unterscheiden, zu benennen, und letztlich: zu handeln.
Ob im NLP mit der transderivationalen Suche oder im Alltag mit Partnern, Eltern, Kindern – wir merken schnell: Jeder versteht unter "Liebe" etwas anderes. Die Kunst liegt darin, nicht nur darüber zu sprechen, sondern sich selbst darin zu erkennen.
Für mich zeigt sich Liebe vor allem in der Haltung: Wie ich mit mir umgehe, wie bewusst ich mein Innenleben erforsche, wie sehr ich bereit bin, mich selbst zu führen – durch Klarheit, durch Gefühle hindurch, durch die unangenehmen Momente. Nicht romantisiert, sondern radikal ehrlich.
Am Ende führt jeder ernst gemeinte Weg zu ihr – zur Liebe – zurück. Und sie beginnt immer bei dir.
Dein Brian
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