Du hast keine Angst. Du hast Energie, die gelebt werden will.
- Brian Neuhöfer

- 1. Okt.
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 2. Okt.

Alle reden über Angst. Kaum jemand stellt sie infrage. Angst gilt als Bedrohung, als Krankheit, als Feind, den man bekämpfen muss. Doch was, wenn Angst gar nicht das ist, was du denkst? Was, wenn Angst in Wahrheit eine Illusion ist?
Ich behaupte: Angst existiert nicht. Es gibt nur Furcht – und die ist real, biologisch, sinnvoll. Angst dagegen ist ein Produkt unserer Psyche, ein Schatten, der etwas Tieferes verdeckt.
Die Illusion der Angst – warum sie in Wahrheit nicht existiert
Die Illusion der Angst – warum sie in Wahrheit nicht existiert
Meine eigene Geschichte mit der Angst
Mit Anfang 20 erlitt ich selbst eine Panikstörung. Ich erinnere mich an eine Tauchübung in Venedig: Plötzlich überkam mich Todesangst. Herzrasen, Enge, das Gefühl, sofort aus der Situation fliehen zu müssen. Ich war überzeugt, etwas stimme nicht mit mir.
Heute weiß ich: Damals begegnete ich nicht der Angst vor dem Wasser oder der Situation. Ich begegnete inneren Impulsen, die ich bis dahin verdrängt hatte.
Angst als Projektionsfläche
Wenn wir von Angst sprechen, meinen wir fast immer etwas anderes. Angst ist die Projektionsfläche für innere Energien, die wir nicht zulassen.
Wir alle tragen vier Grundkräfte in uns:
Aggression – die Energie, uns zu behaupten, Grenzen zu setzen und unser Leben zu erhalten.
Libido – die Sexualenergie, die nicht nur Fortpflanzung meint, sondern auch Kreativität, Lebenslust und Hingabe.
Wut – die Kraft, dran zu bleiben, Widerstände zu überwinden, „Nein“ zu sagen und Stolz zu empfinden.
Trauer – die Fähigkeit, loszulassen, Mitgefühl zu entwickeln und Abschied zu nehmen.
Wenn diese vier Impulse frei fließen dürfen, entsteht Lebendigkeit, Kreativität und Nähe. Doch häufig passiert das Gegenteil: Schuld und Scham legen sich wie ein Deckel darüber.
Das Ergebnis? Spannung im System.
Der Körper reagiert mit Verspannungen, Schlafstörungen oder Krankheiten.
Der Geist reagiert mit Grübeln, Sorgen, Ängsten oder Panikattacken.
Fahrstuhl, Flugzeug, Prüfung: Warum es nie um das Außen geht
Niemand hat wirklich Angst vor dem Fahrstuhl. Der Fahrstuhl ist nur die Bühne. In Wahrheit fürchten wir den Impuls, der in uns aufsteigt, wenn wir in diesem engen Raum sind – vielleicht Wut, vielleicht Trauer, vielleicht die Libido oder Aggression.
Das gilt für Prüfungsangst, Flugangst oder Agoraphobie genauso: Das Außen ist nur der Auslöser. Die eigentliche Ursache liegt in zurückgehaltenen inneren Kräften.

Warum Verstehen allein nicht reicht
Viele versuchen, ihre Angst mit rationalem Denken zu besiegen: „Ich weiß ja, dass der Fahrstuhl sicher ist.“ Doch das hilft nicht, weil Angst kein Denkfehler ist. Sie ist ein Gefühl im Nervensystem.
Die Lösung liegt darin, dem Nervensystem neue Erfahrungen zu schenken. Alte Muster dürfen sich neu organisieren. Erst wenn wir die zurückgehaltenen Impulse fühlen, zulassen und integrieren, verschwindet die Angst.
Angst als Antreiber
Angst ist nicht nur lähmend – sie kann uns auch antreiben. Viele Hochleister, Unternehmer oder Sportler werden in Wahrheit von Angst getrieben:
Angst, nicht genug zu sein.
Angst, zu versagen.
Angst, wertlos zu sein.
Von außen wirkt das wie Disziplin, Stärke oder Ehrgeiz. In Wahrheit ist es oft ein unbewusster Fluchtversuch vor inneren Gefühlen.
Die vier Kochtöpfe der Psyche
Stell dir die vier Impulse wie Kochtöpfe auf einem Herd vor: Aggression, Libido, Wut und Trauer.
Wenn sie frei sprudeln dürfen, entsteht Energie, die nach außen fließt: in Beziehungen, in Kreativität, in Leistung. Unser Leben ist dann in Balance.
Doch wenn Schuld und Scham wie Deckel auf diesen Töpfen liegen, baut sich Druck auf. Der Wasserdampf steigt, Spannung entsteht – und diese Spannung sucht sich ein Ventil. Im Körper zeigt sie sich als Verspannung oder Krankheit, im Geist als Angst oder Panik.
Angst ist also nichts anderes als der Schrei eines zurückgehaltenen Impulses.
Der Unterschied zwischen Furcht und Angst
Furcht ist biologisch sinnvoll. Sie schützt uns vor realen Gefahren: ein wildes Tier, ein Feuer, ein Unfall.
Angst dagegen ist hausgemacht. Sie ist ein Symptom von unterdrückter Energie – und deshalb eine Illusion.
Wenn jemand Flugangst hat, geht es nie um das Flugzeug. Sondern um einen zurückgehaltenen inneren Impuls, der im Kontext Flug aktiviert wird – Wut, Trauer, Libido oder Aggression.
Der Weg aus der Illusion
Der erste Schritt: Erkennen, dass Angst nicht dein Feind ist. Sie ist ein Signal. Sie zeigt dir, dass in dir ein Impuls darauf wartet, gelebt zu werden.
Der zweite Schritt: Den Impuls fühlen. Nicht wegdrücken, nicht intellektualisieren, sondern durchleben – in einem geschützten Rahmen, in einer Begegnung oder im Coaching.
Der dritte Schritt: Ehrlich mitteilen. Wenn wir lernen, uns verletzlich zu zeigen und unsere Impulse zu kommunizieren, verändert sich unser Nervensystem. Wir holen nach, was wir in der Kindheit nicht lernen konnten. Und genau dann verschwindet die Angst.
Fazit
Angst ist keine Emotion, die du akzeptieren musst. Sie ist eine Illusion, ein Deckel über Aggression, Libido, Wut und Trauer.
Wenn du bereit bist, dich deinen Impulsen zu stellen, löst sich die Angst von selbst auf.
👉 Du hast nicht Angst. Du hast Energie, die gelebt werden will.
Wenn du tiefer eintauchen willst: Genau darum geht es in meinem Podcast „Der zweite Blick – Finden, was wirkt“. Hör rein – und vielleicht sagst du schon bald nie wieder: „Ich habe Angst.“


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