Charaktertypen: Welches Betriebssystem nutzt du?
- Brian Neuhöfer

- 23. Okt.
- 5 Min. Lesezeit

Vor Kurzem habe ich an einem Seminar teilgenommen: Charaktertypen und Körperspuren. Dieses Wochenende hat mein Leben verändert - warum? Weil ich verstanden habe, wie meine Grund-Charakterstruktur sich die Welt erschließt. Um ehrlich zu sein: Ich war skeptisch - ein Persönlichkeits-/Charaktermodell? Langweilig. Wir sind doch viel mehr, als irgendeine Kategorisierung. Doch ich wurde wieder einmal überrascht - und wie.
In diesem Beitrag fasse ich das Wichtigste zusammen. Natürlich wird es nur die Oberfläche bleiben.
Wir sind nicht unsere Charakterstruktur - wir haben eine.
Die Sonne des Lebens
Welcher Mensch hatte in deinem Leben den größten Einfluss auf dich? Viele Menschen werden Freunde, Onkel/Tanten oder Großeltern nennen. Andere vielleicht herausragende Lehrer, Sporttrainer oder Vorbilder in Film und Medien. Menschen, die sich aus welchen Gründen auch immer, intensiv mit ihrer/der Psyche beschäftigen, sagen dir alle das Gleiche: Die Mutter.
Oh, wie ernüchternd - langweilig. Andere bringen Einwände, dass Therapeuten oder Menschen aus Psychologie und Forschung auf den Müttern rumhauen - alles liegt an der Mutter - einfach eine Schuldverschiebung? Nein, so leicht kann man sich das dann doch nicht machen.
Die eigene Mutter ist das Zentrum des Lebens. Zumindest die ersten 9 Monate - und dann ganz sicher die ersten 6-7 Jahre. Papa? Ein Statist im Spiel des Lebens. Niemand hat so viel Einfluss auf die Psyche, damit den Menschen, damit die Gesellschaft, damit der Welt, wie die Mütter. Etwas, wogegen ich mich gewehrt habe. Schlecht über die eigene Mutter reden? Moralische Maßstäbe ranhalten - bewerten?
Nein, darum geht es nicht. Moral ist völlig unsinnig in diesem Kontext - viel mehr geht es um Zusammenhänge und wie wir uns die Realität erschließen - und damit im Kern: Wie wir die ersten Jahre des Lebens gemeistert haben und wie das Umfeld war.
Stelle es dir so vor: Ein Organismus passt sich immer an seine Umgebung an. Kinder sind für eine wichtige Zeit lediglich Resonanzwesen. Es existiert keine Trennung zwischen dem Ich - und Du. Da liest man immer so drüber hinweg, wenn man sich jedoch mal intensiv reindenkt - es gab kein Ich? Das heißt übersetzt: Ich war Mama. Alles was Mama fühlt, denkt - ausspricht, hat eine Wirkung auf das Kind.
Und vor allem: In den ersten Jahren des Lebens. In der Zeit, in der die wichtigsten Programme geschrieben werden. Das Betriebssystem - unsere Charakterstruktur. Der eine entwickelt Windows 7, Vista, Linux - der andere Mac Monterey.
Möchtest du später ein bestimmtes Programm oder Computerspiel nutzen, prüft dein Computer die Möglichkeiten - welches Betriebssystem habe ich, welche "Leistung" steht mir zur Verfügung?
Dabei hat jedes Betriebssystem unterschiedliche Qualitäten. Dabei ist der moralische oder bewertende Maßstab uninteressant. Bei den Charaktertypen geht es nicht um richtig, falsch - gut oder böse. Diese Typen entstehen aus dem Zusammenspiel der Umgebung und Reaktionen (Wahrnehmung) eines Kindes.
Und das höchst Interessante: Das lässt sich auf einige Typen herunterbrechen, die sogar durch optische Merkmale zu benennen sind. Der Körper ist kein Produkt einer Genetik-Lotterie, sondern das Ergebnis von sogenannten "Ego-Anspannungen" in den wichtigsten Jahren des Lebens (0-7).
Eine Charakterstruktur kann als Selbstschutz bzw. Kompensationsstrategie mit den Erfahrungen der Umwelt (Mama) verstanden werden.
Die kindliche Psyche entwickelt den Charakter, über einen ziemlich raffinierten und klugen Mechanismus. Auf Stress und Leid gibt das Kind also nicht einfach nur auf, nein - es entwickelt sogenannte Ego-Ideale. Aber dazu später mehr.
Ego und das Selbst
Manche nennen es Seele, Liebe, Ur-Kern - die humanistischen Therapieformen haben den Begriff des "Selbst" geprägt. "Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen:
"Endlich ich Selbst sein. "

Der Begriff ist geläufig und zielt konkret auf die Dynamik zwischen der Charakterstruktur (Ego) und dem Selbst. Wir sind also nicht unsere Struktur/Typ, sondern erst einmal das Selbst. Unendliches Bewusstsein, Seele - nenne es wie du magst.
Da wir als Kinder durch die gleichen psychodynamischen Entwicklungen gehen, hat jeder von uns Teile jedes Charaktertypens. Aber: Es gibt ganz klare Tendenzen.
Alle Charaktertypen entstehen in Kontakt mit der Mutter, mit einer Ausnahme: Der Rigide ensteht in Kontakt mit dem Vater (Phallisch, Hysterisch).
Körperformen der Charaktertypen
Die Charaktertypen kommen ursprünglich von Alexander Lowen und fußten auf der Arbeit von Wilhelm Reich. Der Psychoanalytiker arbeitete mit den muskulären Spannungen, die er "Charakterpanzer" nannte. Lowen entwickelte diese weiter, baute Details aus, doch erst der Amerikaner Ron Kurtz war es, der in seiner Körper-Psychotherapie auf die "Körpertypologie" eingeht und diese auf 8 Typen ausweitet.
Entwicklungsstufen
Charaktertyp | Entwicklungsphase / Alter | Zentraler Konflikt | Kernemotion / Angst | Typische Merkmale & Muster |
1. Schizoide Struktur | Prä- und perinatal (vor/nach Geburt, 0–8 Monate) | Existenz vs. Kontakt („Ich darf nicht da sein“) | Angst vor Vernichtung, Nähe = Gefahr | Rückzug, intellektuell, abgespaltene Gefühle, kontrollierte Energie, kreative Vorstellungskraft |
2. Orale Struktur | Säuglingsalter (0–18 Monate) | Bedürftigkeit vs. Autonomie („Ich brauche zu viel“) | Angst vor Verlassenwerden, Leere | Bedürfnis nach Nähe, emotionale Abhängigkeit, Erschöpfung, Schwierigkeiten mit Selbstversorgung |
3. Psychopathische Struktur | Frühe Autonomiephase (ca. 1,5–3 Jahre) | Kontrolle vs. Hingabe („Wenn ich mich öffne, verliere ich mich“) | Angst, betrogen oder benutzt zu werden | Dominanz, Charisma, Kontrolle, Stärke zeigen statt Verletzlichkeit, Schwierigkeit, Vertrauen zuzulassen |
4. Masochistische Struktur | Trotz- und Autonomiephase (ca. 2–4 Jahre) | Unterdrückung vs. Ausdruck („Wenn ich mich zeige, werde ich bestraft“) | Angst vor Demütigung, Scham | Angepasst, pflichtbewusst, staut Energie, trägt Lasten, sucht Erleichterung, hält Wut zurück |
5. Rigid/Narzisstische Struktur | Phallische Phase (ca. 4–7 Jahre) | Liebe vs. Macht, Nähe vs. Stolz | Angst, Schwäche zu zeigen, Angst vor Ablehnung | Leistungsorientiert, kontrolliert Sexualität/Emotion, möchte begehrt sein, kann Intimität schwer zulassen |
Diese Erfahrungen prägen maßgeblich unsere Psyche und damit unser Leben.
Die wohl interessanteste Info in den Charaktertypen: Die Ego-Ideale und die Art und Weise, wie sie Kontakt im späteren Leben "herstellen".
Wie also geht der Organismus (kindliche Psyche) mit den jeweiligen Umständen der Umwelt um? Es kreiert den Charaktertyp und damit immer auch ein Ego-Ideal.
Der schizoide Charakter spaltet sich also nicht nur, sondern entwickelt neben dem Ego-Ideal auch eine besondere Art und Weise, um Kontakt zu erleben: Lehn mich ab, dann habe ich Kontakt - weil Kontakt in den ersten 8 Monaten durch Trennung von der Mutter, Brutkasten, Krankheit o.Ä. so erschüttert wurde, entsteht diese Bindungsreaktion.
Später im Leben bedeutet Kontakt also auch immer: Ich tue das, was ich kenne. Diese Menschen kreieren also immer wieder Ablehnung in Kontakt mit anderen Menschen. Warum? Weil es ihnen eine illusionäre Sicherheit gibt - so habe ich das erlebt - so kenne ich es.
Für schizoide Charaktere, ist die Welt böse.
Und das Ego-Ideal: Außergewöhnlichkeit/Größenwahn - "Mich versteht doch eh keiner".
Kontakt = Tod.
Jeder von uns hat im Kleinen auch schizoide Züge, jedoch gibt es ganz klare Tendenzen und auch optische Merkmale, um schizoide und generell jeden Charaktertypen einzuschätzen.
Jeder Charaktertyp hat neben "Schwächen" aber auch Stärken. Der schizoide Typ entwickelt gigantische Innenwelten, ist fantasiebegabt, stark analytisch, können verrückt kreative Dinge erschaffen.
Viele große Künstler haben stark schizoide Züge.
Ich werde die Charaktertypen nur in der Oberfläche anreißen. Möchtest du mehr erfahren, komm gerne mit mir in Kontakt - wer ganz tief einsteigen möchte, dem empfehle ich KSP 2 von Bernhard Voss. Das ist ein 2-Tages Seminar, welches ich vor Kurzem besucht habe.
Fazit zu einem kurzen Einblick
Die Charaktertypen sind wahnsinnig spannend. Wer einen Blick dafür entwickelt, erkennt bei der Servicekraft im Restaurant die freundlichen großen "liebevollen" Augen, in Kombination mit einem hageren Körper, die auf die oralen Charaktere deuten: Die "verhungerten" Kinder.
Menschen, die nie genug bekommen, die Kontakt über Mangel erfahren.
Dafür super Teamplayer und austauschfreudig sind, gerne geben, jedoch mit dem Wunsch etwas zurückzubekommen.
Andere Charaktertypen sind breitschultrig, haben markante Kiefer: Die manipulierten Kinder (psychopathische Charakterstruktur).
Diese erleben Kontakt durch Kampf.
Wichtig ist: Wir sind nicht die Charakterstruktur, wir haben eine. Meist haben Menschen zwei Mischformen. Meine Charakterstruktur: Oraler Unterbau mit einem ausgeprägten psychopathischen Überbau.
Charaktertypen lassen sich transformieren. Jedoch wird das ursprüngliche "Betriebssystem" immer bleiben.
Bei den Charaktertypen gibt es jeweils noch "Unterformen". Dort wirst du dich sicher erkennen, also viel Spaß beim Recherchieren.


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